Donnerstag, 19. April 2018

Von wem? Für wen?


Foto: junge Welt
Einige Anmerkungen zu den vermeintlichen Rekordüberschüssen bei den Steuereinnahmen

Der Staat hat laut Statistischem Bundesamt einen Überschuss von 62 Milliarden Euro „erwirtschaftet“. Darin enthalten sind die Zahlen aus Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung. Als Hauptgrund für sprudelnde Steuereinnahmen wird die deutsche „Hochkonjunktur“ angegeben.

Auf der Ausgabenseite wurden staatliche Aufgaben wie Gesundheit, Wohnen, Bildung, Verkehr usw. weit hinter das zurückgefahren, was man noch eine öffentliche Daseinsvorsorge nennen könnte, und die Beschäftigten im öffentlichen Dienst gehen auf dem Zahnfleisch.

Und auch die deutsche „Hochkonjunktur“ ist ein Ergebnis von Lohnsenkungen, unvergüteten Überstunden, Aushebeln von Tarifverträgen und Tarifabschlüssen, bei denen inflationsbereinigt nichts mehr übrig bleibt. Dazu haben wir ein Steuersystem, das denen, die wenig haben, immer mehr nimmt, während denen, die viel haben, noch mehr gegeben wird.

Ein Milliardenüberschuss – gestohlen durch Kürzungen im Gesundheits- und Bildungssystem, Privatisierung staatlichen Eigentums, durch Ungleichheiten zwischen Mann und Frau sowie West und Ost, durch befristete und prekäre Arbeitsverhältnisse, die mehr an Sklaverei als an Lohnarbeit erinnern.

Ein Teil des Überschusses, 24,1 Milliarden Euro, kommt aus der Einmalzahlung, mit der sich die Atomkonzerne aus der Verantwortung für den Atommüll freikaufen konnten. Man braucht nicht viel Phantasie um sich klarzumachen, dass die Arbeiter und Angestellten hier zukünftig draufzahlen werden.

Geschickt haben sich die Atomkonzerne, nachdem sie jahrzehntelang Profite gescheffelt haben, aus der Verantwortung gestohlen, die liegt jetzt beim Steuerzahler. Also bei uns. Das dürfen wir so nicht stehen lassen, die Atomkonzerne müssen für den von ihnen produzierten radioaktiven Müll und dessen Lagerung zahlen!

Der Überschuss der Kommunen relativiert sich schnell, wenn man den Überschuss von 10,7 Milliarden Euro, den alle Kommunen der Bundesrepublik erwirtschaftet haben, mit der Verschuldung einer einzigen Großstadt wie Essen im Ruhrgebiet vergleicht, die im städtischen Haushalt bei etwa 3,5 Milliarden Euro und bei etwa 5 Milliarden Euro liegt, wenn man die städtischen Unternehmen dazunimmt. Die Kommunen brauchen mehr Geld, um handlungsfähig zu sein. Daran ändert die Nachricht vom angeblichen Überschuss der Kommunen nichts.

Auch wenn die Rechnung nicht aufgeht: Wir Kommunisten wissen ganz genau, wofür die 62 Milliarden Euro verwendet werden können. Wir haben in unserem Sofortprogramm Maßnahmen vorgeschlagen, wie man effektiv und unmittelbar die größte Not der Menschen lindern kann.

Wir brauchen mindestens 160 000 zusätzliche Beschäftigte im Gesundheitswesen. Die Anstoßfinanzierung für ein Investitionsprogramm für Wohnraum, Schulen, Krankenhäuser und Verkehr würde sich auf rund 30 Milliarden Euro belaufen. Für all das reicht dieser Überschuss nicht ganz, aber die Differenz ließe sich einfach bei den Rüstungsausgaben und den Steuergeschenken an die Konzerne, durch die Einführung einer Vermögensteuer, holen.

Das heißt, heute noch könnte die Bundesregierung mit dem Überschuss, den man uns abgepresst und gestohlen hat, ein notwendiges Sofortprogramm für die Menschen lostreten, die hier leben, lernen und arbeiten. Geld ist genug da.

Wird das geschehen? Nein. Der Staat wird das Geld der Rüstungsindustrie in den Rachen werfen und die Aufrüstung bezahlen, die gebraucht wird, um Kriege in aller Welt im Interesse der Banken und Konzerne zu führen. Die NATO-Forderung nach 2 Prozent des Bruttoinlandseinkommens für Rüstung und Militär ist den Regierenden wichtiger als die Daseinsvorsorge der Menschen.

Das Geld wird als Steuergeschenke an die Reichen und Konzerne fließen, statt eine Millionärssteuer zu erheben, wie wir sie im Sofortprogramm für die Finanzierung der Maßnahmen fordern.

Und warum? Weil dieser Staat nicht unser Staat, sondern der Staat der Kapitalisten, der Banken- und Konzerneigentümer ist.

Von Patrik Köbele, DKP-Vorsitzender
aus „unsere zeit (UZ) – Zeitung der DKP“ vom 20. April 2018

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