Donnerstag, 16. März 2017

Die permanente Regierung

Geleakte CIA-Dokumente zeigen, wer im „Tiefen Staat“ wen kontrolliert

Vor nicht allzu langer Zeit galt jeder, der von Geheimarmeen, Einsätzen unter falscher Flagge oder gar dem „Tiefen Staat“ redete, als „Verschwörungstheoretiker“, „Polit-Paranoiker“, oder „9/11-Fantast“.

Das ist seit Edward Snowden und den am 7. März von Wikileaks veröffentlichten CIA-Dokumenten („Vault 7“) anders. Es ist auch seit Donald Trump anders. Die simplen Abwehrreflexe und herabsetzenden Zuschreibungen funktionieren beim Offensichtlichen nicht mehr. Nicht mehr jene, die vom „Tiefen Staat“ reden, sondern diejenigen, die seine Existenz bezweifeln, müssen sich politische Naivität vorwerfen lassen.

„Jetzt kann jeder NSA“, heißt es jammernd in der FAZ angesichts der Wikileaks-Enthüllung über den CIA-Cyberkrieg gegen potentiell alle und jeden. Der Skandal ist für die FAZ natürlich nicht der Cyberkrieg der CIA, sondern seine Enthüllung durch Wikileaks. „Terrorfürsten und Diktatoren“ würden sich nun der Beobachtung entziehen, es müsse „dringend breiter und lauter hinterfragt werden, wo die Grenzen der Verantwortung beim Leaken“ lägen – und warum ausgerechnet Wikileaks „Werkzeuge für Angriffe und Massenüberwachung“ in die Welt bliese.

„Werkzeuge für Angriffe und Massenüberwachung“ sind für die FAZ offenbar schon okay, aber eben nicht für jeden. Mindestens hier stellt sich die Frage, wer denn hier eigentlich die „Terrorfürsten und Diktatoren“ sind. Diese „Werkzeuge für Angriffe und Massenüberwachung“ hat jedenfalls nicht Wladimir Putin erfunden. Und da es nun gewissermaßen amtlich ist, dass die Agency auch „elektronische Fingerabdrücke“ fälschen kann, bleibt von dem (ohnehin absurden) Vorwurf, Russland habe den US-Wahlkampf manipuliert, auch propagandistisch nicht sonderlich viel übrig.

Ex-CIA- und Ex-NSA-Chef Michael Hayden hat die aktuelle Situation als „Krieg der permanenten Regierung mit der neuen Regierung“ beschrieben. „Permanent Government“, damit dürfte das Selbstverständnis des herrschenden Komplexes aus Militär, Industrie, Medien und Geheimdiensten (englisch MIMIC) adäquat formuliert sein. In deren Augen sind die gewählten Regierungen allenfalls eine Art Laiendarsteller-Truppe, die bis zum Erreichen ihres Glaubwürdigkeits-Verfalldatums dem Publikum das zu verkaufen hat, was in den Zirkeln der wirklichen Macht, in den Tiefen des Staates, zuvor beschlossen worden ist.

Frankfurt/M. Zentrum der CIA-Cyberspionage in D, Foto: UZ
Die bisherigen Administrationen (zu deutsch eigentlich Regierungen genannt) haben sich weitgehend an diese Spielregeln gehalten. In dieser Sicht hat Donald Trump ein gravierendes Manko: Er ist nicht der Liebling des „MIMIC“. Dass die US-Bürger ihn und nicht die erklärte Favoritin Hillary Clinton gewählt haben, gilt daher als ein Akt unverzeihlicher Insubordination. Er zwingt den „Tiefen Staat“ aus der Deckung zu kommen, wie es General Hayden formuliert, offen „Krieg“ gegen die zwar gewählte, aber doch irgendwie illegitime Administration zu führen.

Es ist die Naivität gegenüber einem global agierenden, unkontrollierten Komplex, der mit der Aufrüstung des II. Weltkrieges und des Kalten Krieges gegen den Sozialismus zu unumschränkter Machtfülle gelangt ist. Indonesien, Vietnam, Lateinamerika, Zentralafrika, der Nahe und Mittlere Osten – dieser Komplex hat eine Blutspur durch ganze Kontinente gezogen. Und er gräbt sich immer tiefer in die Privatsphäre auch jener staatstreuen, „rechtschaffenen“ Bürger ein, die in ihrer Einfalt glauben, nichts zu verbergen zu haben und die doch heillos erschrocken wären, wenn ihnen die komprommitierende Materialsammlung präsentiert würde, die auch über sie leicht zusammenzustellen ist. Der „Tiefe Staat“ sammelt buchstäblich alles, was digital verfügbar ist und hat im Zeitalter des „Internet der Dinge“ die Macht über diese neue „smarte Welt“ längst an sich gerissen.

In Deutschland hat der NSA-Untersuchungsausschuss gezeigt, dass eine Kontrolle der Dienste nicht stattfindet. Die Kanzlerin wird strukturell von Informationen über die Dienste abgeschirmt. Mit gegenseitigem Einverständnis. Frau Merkel kann also mit gutem Recht sagen, dass sie von nichts einen Schimmer hat. Die Entscheidungen werden anderswo getroffen. Ob Schulz oder Merkel, die „permanente Regierung“ ist auch hier längst Realität.

Von Klaus Wagener
aus „UZ – unsere zeit – Zeitung der DKP“ vom 17. März 2017

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